Wenn Kuba den politischen Intimfeind USA ärgern will, dann am besten in Moskau oder Peking: So hat es früher Revolutionsführer Fidel Castro gemacht und so reiste auch Staatspräsident Miguel Diaz-Canel zuletzt erst nach Russland und dann nach China. Anders als der „Maximo Lider“ Castro brachte Diaz-Canel diesmal allerdings nicht nur sozialistische Grußworte mit, sondern aus dem Reich der Mitte die bemerkenswerte Zusage über eine stolze Bruderspende von 100 Millionen Dollar.
Eine Menge Geld für das krisengeschüttelte Havanna, das seit jeher für alle Probleme der eigenen überwiegend von Militärs gesteuerten Planwirtschaft das jahrzehntelange Handelsembargo der USA verantwortlich macht. Und das von Sozialprotesten und Massenflucht erschüttert wird, auf die Havanna mit Verhaftungen antwortet.
Die Botschaft, die in der Region hängen bleiben soll: Peking gibt uns, was Washington uns verweigert. Die chinesische Großzügigkeit hat einen Hintergrund. Chinas kommunistische Partei arbeitet mit einem Masterplan daran, Mittelamerika und die Karibik eng an sich zu binden und im Idealfall aus ihnen moderne sozialistische Staaten nach chinesischem Vorbild entstehen zu lassen. Ob in Panama, El Salvador, Costa Rica oder Kuba. Mal gibt es eine Geldspende für Havanna, mal ein ganzes Fußballstadion für Costa Rica.
Zurzeit macht das Angebot die Runde, China wolle die Auslandsschulden von El Salvador übernehmen, was der mittelamerikanischen Nation angesichts eines drohenden Staatsbankrotts wegen hoher Investitionen in die abgestürzte Kryptowährung Bitcoin verlockend klingt. „China hat angeboten, unsere kompletten Schulden zu kaufen, aber wir müssen das vorsichtig angehen“, wird El Salvadors Vizepräsident Feliz Ulloa in lokalen Medien zitiert.
China will Staatsmodell nach Panama bringen
Zuletzt staunten die Leser von Panamas renommierter Zeitung „La Estrella“ nicht schlecht, als sie im November die Schlagzeile lasen: „China stellt Panama seinen Plan vor, eine moderne sozialistische Nation zu werden.“ Es folgten mehrere Absätze Lobhudelei auf das chinesische Erfolgsmodell, den starken Mann Xi Jinping sowie eine hochrangige chinesische Delegation, die Lateinamerikas Führungskräften erkläre, warum China so erfolgreich sei und was der Rest der Welt von der Volksrepublik lernen kann. Die Berichterstattung hatte China über seine Botschaft bezahlen lassen, wie das kleine, kaum lesbare Wörtchen „Werbung“ über der vermeintlichen Reportage beweist. Auch das dazu gehört dazu: Chinas kauft sich in TV-Kanäle ein oder gleich ganze Magazine oder Zeitungsreportagen.
„China will die Stärken und die Effizienz seines Modells zeigen“, sagt der spanische Buchautor, Journalist und Lateinamerika-China-Experte Juan Pablo Cardenal im Telefongespräch mit WELT. „Was China vor allem will, ist ein breites Netzwerk von Verbündeten, ein freundliches Umfeld, dass die Entwicklungsländer auf ihrer Seite stehen“, sagt Ex-China-Korrespondent Cardenal, der heute für die argentinische Menschenrechtsorganisation CADAL forscht. China präsentiere sein Modell als besser, als wertemäßig dem westlichen liberal-demokratischen System überlegen.
Chinas Regierung verfolgt langfristige Ziele in seiner Mittelamerika-Strategie. Die Volksrepublik will nicht nur im Handelskrieg mit den USA wichtige politische Bündnispartner gewinnen, sondern auch Taiwan aus der Region verdrängen.
Chinas Interesse an der weit entfernten Region hat nach Einschätzung von Cardenal zwei Gründe: „China sieht Lateinamerika als eine Quelle natürlicher Ressourcen. Und da wird es in den nächsten Jahren zu einem enormen Wettbewerb auf dem Weltmarkt kommen.“ Und darüber hinaus sehe sich China mindestens als Führer der Staaten an, die weltweit als Wachstumsmotoren und zukunftsentscheidend gelten. Und deshalb sei es wichtig, die Region als diplomatischen Verbündeten als Gegenstück zu den USA aufzubauen.
Das gelang zuletzt im politisch isolierten Nicaragua, wo Despot Daniel Ortega nach der Ermordung Dutzender regierungskritischer Studenten sowie der Verhaftung der gesamten Opposition mit Sanktionen der USA und Europa belegt wurde. Und schon sprangen die Chinesen ein, die Nicaragua zur Importmesse CIIE einluden. Laureano Ortega Murillo, Sohn des Präsidenten und gleichzeitig dessen Berater, sieht darin „eine enorme Chance vor den Toren eines bilateralen Freihandelsabkommens“.
Anfang des Jahres beendete Ortega die Beziehungen mit Taiwan und setzt seitdem auf China. Innerhalb von 15 Jahren gelang es, Taiwan fast vollständig diplomatisch aus der Region zu verdrängen. Costa Rica bekam dafür 2011 das modernste Fußballstadion Zentralamerikas für 100 Millionen US-Dollar geschenkt. Im Gegenzug erkannte Costa Rica die „Ein-China-Politik“ an und beendete 2007 alle diplomatischen Beziehungen mit Taiwan. Dem Schritt folgten schließlich Panama (2017), El Salvador (2018) und Nicaragua (2021).