Ann-Katrin Hahner

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der einige grundlegende Änderungen des Zweiten Sozialgesetzbuchs im Bereich "Erreichbarkeit" nach sich zieht. Die Erreichbarkeitsverodnung muss nun das Bundeskabinett passieren, wenn die Gesetzesänderung zum Bürgergeld noch vor der Sommerpause verabschiedet wird, könnte sie aber bereits ab dem 1. Juli 2023 gelten. Ab Juli kommen zudem weitere Änderungen beim Bürgergeld hinzu. Beispielsweise soll es mehr Geld für Aufstocker geben. 

Welche Änderungen die Erreichbarkeitsverordnung für Bürgergeld-Empfänger bedeutet und welche Sanktionen drohen, wenn die neuen Regeln nicht eingehalten werden, erfahren Sie im folgenden Artikel.

Bürgergeld: Erreichbarkeit als neue Leistungsvoraussetzung ab Juli 2023

Wird die Neuregelung zur Erreichbarkeit Leistungsberechtiger zeitnah verabschiedet, soll sie schon am 1. Juli 2023 in Kraft treten. Mit der neuen Verordnung soll laut dem Entwurf des Ministeriums geregelt werden, unter welchen Voraussetzungen erwerbsfähige Bürgergeld-Empfänger bei einem Aufenthalt außerhalb des näheren Bereichs einen Leistungsanspruch haben können. Die Erreichbarkeit ist damit also nicht mehr länger nur im Rahmen der Mitwirkungspflicht - wie beispielsweise das Vorzeigen von Kontoauszügen - notwendig, sondern hat direkten Einfluss auf den Leistungsanspruch beim Bürgergeld.

Die neue Erreichbarkeitsverordnung (ErrV) regelt dabei mehrere Punkte neu. Wir haben die Wichtigsten für Sie zusammengefasst:

  1. "Näherer Bereich" wird genauer definiert: Der "nähere Bereich" bezieht sich auf den Ort, der innerhalb von maximal 2,5 Stunden (einfache Fahrt und nicht wie früher Hin- und Rückfahrt) von der zuständigen Dienststelle des Jobcenters erreicht werden kann. Der "nähere Bereich" umfasst auch potenzielle Arbeitsplätze oder Orte, an denen Integrationsmaßnahmen durchgeführt werden.
  2. Werktägliche Möglichkeit der Kenntnisnahme: Mitteilungen und Aufforderungen vom Jobcenter müssen an Werktagen (Montag bis Samstag, ausgenommen gesetzliche Feiertage) zur Kenntnis genommen werden können. Wenn Mitteilungen oder Aufforderungen am Samstag oder vor gesetzlichen Feiertagen eintreffen, ist es ausreichend, wenn sie vor Beginn des nächsten Werktags zur Kenntnis genommen werden können.
  3. Weitere wichtige Gründe: Es gibt weitere wichtige Gründe, die es den Leistungsempfängern erlauben, den "näheren Bereich" zu verlassen. Dazu gehören die Unterstützung von Angehörigen bei der Geburt eines Kindes, bei der Pflege oder im Todesfall eines Angehörigen.
  4. Zustimmungserfordernis bei Nichterreichbarkeit: Wenn der "nähere Bereich" aus einem wichtigen Grund verlassen wird, sollte die Zustimmung des zuständigen Jobcenters in der Regel mindestens fünf Werktage vorher beantragt werden. Die Zustimmung kann nachträglich beantragt werden, wenn ein vorheriger Antrag nicht möglich war.
  5. Dauer des wichtigen Grundes: Der wichtige Grund kann verschiedene Dauern haben, je nach der spezifischen Situation, wie z.B. die Dauer einer medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation oder die Dauer der Unterstützung von Angehörigen bei Geburt, Pflege oder Tod.
  6. Abwesenheit aufgrund von Erwerbstätigkeit: Wenn eine Person aufgrund von Erwerbstätigkeit abwesend ist und ein Einkommen über der Geringfügigkeitsgrenze erzielt, ist keine Zustimmung erforderlich.
  7. Zustimmungserfordernis bei Nichterreichbarkeit ohne wichtigen Grund: Wenn der "nähere Bereich" ohne wichtigen Grund verlassen wird, sollte die Zustimmung des Jobcenters in der Regel mindestens fünf Werktage vorher beantragt werden.
  8. Erreichbarkeit von Personen, die Arbeitslosengeld und Bürgergeld beziehen: Wenn eine Person, die Bürgergeld und Arbeitslosengeld bezieht, den Aufenthalt außerhalb des zeit- und ortsnahen Bereichs nach § 3 der Erreichbarkeits-Anordnung anerkannt hat, gilt diese Person auch für den Bezug von Bürgergeld als erreichbar.

Zusammenfassend: Um die Erreichbarkeitsvoraussetzung des Gesetzesentwurfs zu erfüllen, muss ein Bürgergeld-Empfänger sich also im sogenannten näheren Bereich des Jobcenters aufhalten und die Möglichkeit haben, Arbeitgeber, Jobcenter oder Ort einer Maßnahme im Bezirk des für ihn zuständigen Jobcenters aufzusuchen. Dies muss laut der oben erwähnten Regelungen in angemessener Zeit, ohne unzumutbaren Aufwand und auf eigene Kosten geschehen können.

Die Erreichbarkeit wird nur ausgesetzt, wenn ein gewichtiger Grund vorliegt und die Zustimmung des Jobcenters vorher eingeholt wurde. Ausnahmen bestehen laut buerger-geld.org bei einer Abwesenheit für in der Regel höchstens drei Wochen im Kalenderjahr, wenn "keine wesentliche Beeinträchtigung der Eingliederung in der Ausbildung oder Arbeit durch die Abwesenheit entsteht" oder bei Abwesenheiten wegen der Erwerbstätigkeit (Beispielsweise eine Dienstreise) oder Elternzeiten und Schulbesuchen von Minderjährigen.

Für das Jobcenter nicht erreichbar? Diese Strafen drohen

Klassische Sanktionen, wie eine Leistungsminderung, hat die fehlende Erreichbarkeit zukünftig nicht zur Folge. Zurücklehnen sollten sich Bürgergeld-Empfänger deshalb aber nicht. Denn Bezieher von Leistungen, die dem Jobcenter das Verlassen des näheren Bereichs nicht mitteilen und trotzdem weiterhin Leistungen beziehen, begehen einen strafbaren Sozialleistungsbetrug.

Weil die Erreichbarkeit voraussichtlich ab Juli 2023 zu den Voraussetzungen für einen Anspruch auf Bürgergeld zählt, verlieren Personen, die sich an die Neuregelung nicht halten, komplett ihren Anspruch auf Bürgergeld-Zahlungen. Damit nicht genug: Laut buerger-geld.org werden bei fehlender Erreichbarkeit nicht nur die Regelzahlungen eingestellt, sondern es entfallen auch Zahlungen für die Kosten der Unterkunft, Heizung und für die Kranken- und Pflegeverischerung. Alle Auszahlungstermine zum Bürgergeld 2023 sind bereits bekannt.

Übrigens: Beim Bürgegeld drohen in bestimmten Fällen Sanktionen, die sich Leistungsminderungen äußern. Eine Änderung ab 1. Juli 2023 soll allerdings dafür sorgen, dass nicht mehr so schnell Leistungsminderungen beim Bürgergeld drohen. Wenn sie erstmals Bürgergeld beantragen, können Sie leicht herausfinden, wie viel Bürgergeld Ihnen zusteht. Nutzen Sie dafür einfach unseren Bürgergeld-Rechner. Wurde Ihr Antrag abgelehnt, können Sie Widerspruch einreichen